Berlin 2026 – Die Schicksalsfrage einer Stadt. Verfall, Klimareligion und die letzte reale Gegenmacht. Es betrifft auch Dich!

Frank-Christian Hansel

Berlin steht nicht vor einer weiteren Routinewahl. Die Abgeordnetenhauswahl 2026 im September entscheidet über die weitere Grundordnung, in der Deutschlands Hauptstadt künftig existiert. Sie entscheidet, ob Berlin eine bürgerliche, produktive und rechtlich verlässliche Metropole bleibt – oder ob es endgültig zum ideologisch verwalteten Experimentierfeld einens Linksblocks wird, in dem Moral Recht ersetzt, Gesinnung Politik verdrängt und der Ausnahmezustand zur Normalform erklärt wird.

Was sich in den vergangenen Jahren verdichtet hat, ist kein zufälliges Nebeneinander politischer Fehlentscheidungen, sondern ein systemischer Umbau des politischen Raums. Getragen wird er von drei ideologischen Strömungen, die sich gegenseitig stabilisieren und zu einer geschlossenen Herrschaftslogik verbinden: der klimaaktivistischen Zivilreligion, der Ideologie des Postwachstums (Degrowth) und dem Revival sozialistischer Enteignungs- und Vergesellschaftungsvorstellungen. Diese Trias wirkt nicht reformierend, sondern zersetzend – und sie wird politisch abgesichert durch die gezielte Delegitimierung der einzigen Kraft, die ihr real entgegentritt: der politischen Rechten Mitte, verkörpert durch die AfD.

Der Soziologe Émile Durkheim nannte den Zustand, der daraus entsteht, Anomie: den Zerfall verbindlicher Normen und Institutionen bei gleichzeitiger moralischer Übersteuerung. Genau diesen Zustand erleben wir heute in Berlin, hier im Brennglas vertretend für ganz Deutschland.

Den moralischen Überbau dieser Ordnung bildet die klimaaktivistische Zivilreligion. Sie ist nicht bloß Umweltpolitik, sondern eine typische Heilslehre mit politischem Totalanspruch. Ihr zentrales Dogma lautet, der Klimawandel sei primär und nahezu ausschließlich menschengemacht, CO₂ der entscheidende Motor der Erderwärmung – und daraus folge eine alternativlose Transformationsagenda, die tief in Wirtschaft, Eigentum, Mobilität und Lebensführung eingreifen müsse. Aus einer naturwissenschaftlichen Hypothese wird so ein politisch-moralisches Glaubenssystem.

Charakteristisch für dieses System ist nicht die Sorge um Umweltfragen – die wäre legitim –, sondern die Eschatologie, mit der es operiert. Der Diskurs ist durchzogen von Endzeitvokabular: Kipppunkte, Notstände, letzte Chancen, irreversible Schäden. Zeit wird dramatisiert, Zukunft verknappt, Gegenwart moralisch aufgeladen. Politik soll nicht mehr abwägen, sondern „handeln“ – sofort, kompromisslos, alternativlos. Damit verschiebt sich der Maßstab des Politischen in Richtung Kulturkampf: Nicht mehr das bessere Argument entscheidet, sondern die behauptete Dringlichkeit.

CO₂ fungiert dabei als Sündenmarker. Emission wird nicht nur als technisches Problem behandelt, sondern als moralische Schuld. Der Einzelne soll nicht überzeugt, sondern erzogen werden: durch Preise, Verbote, Nudging und soziale Sanktion. Abweichung gilt nicht als legitime Position, sondern als Verantwortungslosigkeit. Wer Kosten, Wirksamkeit, technologische Alternativen oder soziale Nebenfolgen anspricht, wird nicht widerlegt, sondern moralisch disqualifiziert. Der Diskurs immunisiert sich gegen Kritik – ein klassisches Merkmal von Zivilreligionen.

Auffällig ist die Immunisierung gegen Falsifikation. Selbst dort, wo wissenschaftliche Debatten existieren, wo Modelle revidiert, Prognosen korrigiert oder Unsicherheiten eingeräumt werden, bleibt die politische Erzählung unangetastet. Nicht die Wahrheit des Arguments ist entscheidend, sondern seine Systemfunktion. Denn das Klimanarrativ ist längst mehr als Begründung einzelner Maßnahmen: Es ist der legitimatorische Kern eines umfassenden Herrschaftsprojekts. Es erlaubt, Energie zu verknappen, Industrie zurückzubauen, Eigentum umzudeuten und Verhaltensnormen politisch durchzusetzen – stets im Namen einer höheren Notwendigkeit.

So wird Klimapolitik zum Masterframe, unter den sich nahezu jedes Politikfeld subsumieren lässt: Energie, Verkehr, Wohnen, Stadtentwicklung, Ernährung, Finanzmarktregulierung. Der Ausnahmezustand wird verstetigt. Institutionen verändern ihre Funktion: Parlamente werden zu Vollzugsorganen, Verwaltungen zu Erziehungsapparaten, Gerichte zu Mitvollziehern einer vorab festgelegten Zielhierarchie. Die klassische Trennung zwischen Entscheidung, Recht und Moral verwischt.

Gerade in Berlin ist diese Dynamik besonders ausgeprägt. Hier verschmilzt der klimapolitische Ausnahmezustand mit einer urbanen Ideologie des Verzichts. Mobilität wird eingeschränkt, Bauen verteuert, Energie verteuert, Eigentum moralisch relativiert – stets mit dem Verweis auf das Klima. Der reale Effekt ist jedoch nicht ökologische Balance, sondern soziale und ökonomische Entregelung: steigende Lebenshaltungskosten, Investitionsflucht, Angebotsverknappung. Die Stadt funktioniert noch administrativ, verliert aber ihre integrative Substanz.

Das ökonomische Rückgrat dieser Moralpolitik bildet die Ideologie des Postwachstums. Degrowth verklärt Schrumpfung, Rückbau und Verzicht zur politischen Tugend. Wachstum, Produktivität, Industrie und sozialer Aufstieg gelten als moralisch verdächtige Relikte einer „falschen“ Ordnung. Bemerkenswert ist dabei die staatliche Alimentierung dieser Ideologie: Ein dichtes Netzwerk aus NGO, Instituten und akademischen Zirkeln – vielfach öffentlich finanziert – verbreitet wachstumsfeindliche Narrative, während die produktive Wirtschaft durch Steuern, Abgaben und Regulierung belastet wird. Die Wertschöpfung finanziert damit jene Kräfte, die ihre eigene Grundlage delegitimieren. Degrowth ist nicht nur Theorie, sondern ein politökonomisches Subventionsregime.

Besonders wirksam wird diese Ideologie durch ihren wissenschaftlichen Gestus. Schrumpfungsszenarien werden politisch instrumentalisiert, Gegenhetorik der Alternativlosigkeit ersetzt die offene Debatte. Es entsteht ein Zirkel aus Modellrechnung, NGO-Moral und politischem Vollzug, der parlamentarische Entscheidung ersetzt. Demokratie verkommt zur Simulation: Parlamente nicken ab, was andernorts vorentschieden wurde; der Bürger wird nicht gefragt, wie er leben will, sondern darüber belehrt, wie wenig ihm angeblich zusteht.

In Deutschland – und besonders in Berlin – entfaltet diese Logik ihre zerstörerische Wirkung in Verbindung mit Energie- und Wohnungspolitik. Hohe Strompreise, instabile Netze, Regulierungsdichte und Investitionsunsicherheit haben die industrielle Basis ausgedünnt. Die Deindustrialisierung vollzieht sich nicht gegen die Logik von Degrowth, sondern in ihrem Sinne:

Parallel wird Eigentum in der Wohnungsfrage moralisiert und politisch disponibel gemacht. Vergesellschaftung gilt nicht mehr als äußerstes Mittel, sondern als legitime Option. Marktmechanismen werden delegitimiert, Rechtssicherheit relativiert. Die Folgen sind sichtbar: Angebotsverknappung, steigende Kosten, Investitionsrückgang, wachsende Abhängigkeit vom Staat.

Diese Entwicklung wäre politisch angreifbar, gäbe es einen offenen Wettbewerb der Alternativen. Genau dieser Wettbewerb aber wird systematisch verhindert. Denn hier greift die Delegitimierungsstrategie des herrschenden Blocks. Die AfD wird nicht argumentativ gestellt, sondern moralisch isoliert. Das Etikett ersetzt die Analyse, das Stigma die Auseinandersetzung.

Entscheidend ist der Mechanismus: Die AfD wird nicht als „rechtsextrem“ markiert, weil sie extrem wäre, sondern weil sie der einzig politisch relevante und ernsthafte Gegenspieler dieses Politikregimes ist. Sie bietet politischen Realismus: einen nüchternen Blick auf Energiepreise, ökonomische Standortbedingungen, Eigentum, Arbeit, Industrie und innere Sicherheit; einen wirtschafts- und energiepolitischen Kurs, der auf Machbarkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit setzt – und damit die gepflegte Rezession entlarvt.

Gerade das macht sie für den rot-grünen Block – flankiert von SPD und einer strategisch entkernten CDU – so gefährlich. Ein offener Vergleich der Konzepte würde zeigen, dass viele Berliner Probleme keine Naturereignisse, sondern Folgen politischer Entscheidungen sind. Entscheidungen, die korrigierbar wären. Die Dämonisierung und Deligitimierung der AfD - mithin bis zur Endstufe eines Verbotsverfahrens - ist daher keine moralische Notwehr, sondern eine offensichtliche Herrschafts(sicherungs)strategie. Sie soll verhindern, dass es zu einer echten Politikwende kommt und der Diskurs zur Realität zurückkehrt.

So entsteht eine paradoxe Ordnung: Legitimation wird nicht aus Problemlösung, sondern aus der Abwehr eines permanent beschworenen Feindes bezogen. Die Linke ruft den Faschismus, um sich als moralische Avantgarde zu inszenieren. Die SPD verwaltet antifaschistische Erregung, um ihren Bedeutungsverlust zu kaschieren. Die CDU profitiert von der künstlichen Extremismussymmetrie, um sich als vermeintliche Mitte zu positionieren – ohne eigenen ordnungspolitischen Kurs. Alle drei haben ein Interesse daran, dass die AfD nicht als normale politische Kraft erscheint – selbst wenn die Stadt weiter in die Anomie gleitet.

Dieser Konflikt betrifft nicht nur politisch Engagierte. Er betrifft auch die verbliebenen verantwortungsbewussten Teile der SPD, die einst für Ordnung, Arbeit und industriellen Aufstieg standen – und heute marginalisiert werden. Und er betrifft die bürgerlich-konservativen Reste der Berliner CDU, die lange gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben und erkennen, dass Machtklempnerei und Koalitionsfixierung zur Selbstaufgabe führen.

Viele wissen es längst – auch wenn sie noch schweigen: Es gibt derzeit nur einen politischen Akteur, der dieser Entwicklung real entgegentreten kann. Nicht als Protestvehikel, sondern als bürgerlicher, entspannter, ernsthafter Partner, der Ordnung, Eigentum, wirtschaftliche Vernunft und staatliche Handlungsfähigkeit wieder zum Maßstab macht. Die AfD ist nicht der äußere Feind der bürgerlichen Ordnung, als der sie etikettiert wird – sie ist ihr letzter institutioneller Anker im parlamentarischen Raum. Ihre Dämonisierung dient der Verhinderung dieser Erkenntnis.

Berlin 2026 ist deshalb eine Schicksalswahl. Nicht zwischen Rechts und Links, sondern zwischen Realität und Fiktion. Zwischen einer Ordnung, die Konflikte politisch austrägt, und einer Zivilreligion, die sie moralisch erstickt. Zwischen einer Stadt, die baut, investiert und integriert – und einer Stadt, die verbietet, enteignet und umerzieht.

Dieses Memonrandum richtet sich ausdrücklich auch an jene, die sich bislang als unpolitisch verstanden haben. Wer glaubt, sich heraushalten zu können, irrt. Wenn Eigentum relativiert wird, ist das Ersparte betroffen. Wenn Wachstum delegitimiert wird, sind Arbeitsplätze betroffen. Wenn Opposition delegitimiert wird, ist Demokratie betroffen.

Berlin braucht keine Heilslehren. Berlin braucht politischen Realismus, Mut zur Korrektur und den offenen Wettbewerb der Alternativen. Die Wahl 2026 entscheidet, ob diese Stadt den Weg der Verfallsdynamik weitergeht – oder den Mut findet, zur Realität und dem Mut zur Zukunft zurückzukehren.

Es betrifft auch Dich!