Der erfundene Feind – Warum Linke, SPD und CDU die Erzählung einer „rechtsextremen AfD“ brauchen, oder: Wie ein politisches Kartell seine Macht durch einen erfundenen Gegner sichert – und das Land dafür opfert
Es gehört zu den merkwürdigsten Paradoxien der gegenwärtigen Republik, dass jene politische Linke, die sich selbst als moralische Avantgarde und letzte Bastion gegen den angeblich wiederkehrenden Faschismus inszeniert, heute existenziell auf eben jenes Feindbild angewiesen ist, das sie rhetorisch bekämpft. Der Faschismus, den sie beschwört, ist kein historisches Echo, sondern eine politische Konstruktion. Er wird nicht gesichtet, sondern herbeigesehnt, er existiert nicht in der Realität, sondern nur in der diskursiven Architektur jener Kräfte, die ihr politisches Überleben an das Fortbestehen dieses Phantoms gebunden haben.
Denn in Wahrheit ist die Linke ideologisch ausgezehrt. Ihre großen Erzählungen – soziale Gerechtigkeit, Fortschritt, Aufbruch, Frieden – sind ausgelaugt, verloren, durch die eigene Politik entwertet oder durch die Realität widerlegt. Sie hat kein Zukunftsprojekt mehr, kein politisches Zentrum, keinen positiven Entwurf. Was ihr bleibt, ist das moralische Überlegenheitsgefühl, das aus der Beschwörung des Faschismus erwächst. Der Faschismus existiert deshalb nicht trotz der Linken, sondern wegen der Linken. Er ist der Schatten, den sie braucht, um sich selbst als Licht darstellen zu können.
Doch ein abstraktes Feindbild allein genügt nicht. Die politische Dramaturgie verlangt einen konkreten Gegner, und dieser Gegner ist - ungewollt - die AfD. So wird aus einer bürgerlichen Protestpartei, aus einem realpolitischen Korrektiv, aus einer Stimme der gesellschaftlichen Normalität ein „rechtsextremes“ Schreckbild konstruiert, das die Linke mit quasi-religiösem Eifer verteufelt. Die AfD ist dabei nicht extrem – die Extremität entsteht erst durch den Diskurs, der sie rahmt. Das Etikett ersetzt die Argumentation. Das Stigma ersetzt die Analyse. Die Dämonisierung ersetzt die politische Auseinandersetzung.
Die Linke, als Partei aber mit ihr eins zu eins das mit ihr verbundene Vorfeld samt den aktivistischen Medien, entwickelt so eine Hassliebe zur AfD: Sie verabscheut sie rhetorisch, aber sie ist auf sie angewiesen. Sie braucht sie als Feind, weil sie ohne sie nichts mehr wäre. Die AfD ist der Spiegel, in dem die Linke ihre eigene Bedeutung erkennt; ohne diesen Spiegel stünde sie nackt da, eine politische Kraft ohne Inhalt, ohne Idee, ohne Zweck.
Doch in diesem Schauspiel agiert die Linke nicht allein. Die SPD, einst Volkspartei, heute kaum mehr als ein ideologisches Fragment, lebt vom gleichen Mechanismus. Sie ist zur Verwalterin des antifaschistischen Rituals geworden, zur Hüterin der moralischen Selbsttäuschung, die sie als letzte Rechtfertigung ihrer Existenz benötigt. Ohne das „Nie wieder“ hätte sie nur noch ein „Nirgends mehr“. Die SPD weiß: Ein politischer Wettbewerb, der ohne künstliche moralische Aufladung auskommt, würde sie auf ihren Schrumpfstatus reduzieren, den sie im Osten weitgehend bereits genießt.
Und dann ist da die CDU, die große Nutznießerin der künstlichen Extremismussymmetrie. Sie inszeniert sich als vernünftige Mitte, obwohl sie längst keine Mitte mehr repräsentiert, sondern nur noch das technokratische Weiter-so eines politischen Apparats ohne Richtung und ohne Mut. Die CDU braucht das vermeintliche, künstliche Gleichgewicht – links angeblich radikal, rechts angeblich radikal –, damit sie selbst in der Mitte stehen kann, ohne sich bewegen zu müssen. Für sie ist der diskursiv erzeugte „Rechtsextremismus“ der AfD ein bequemes Werkzeug, das es ihr erlaubt, mit SPD und Grünen weiterzuregieren, ohne je Rechenschaft über ihre eigenen Fehler ablegen zu müssen. Nur peinlich, dass sie sich trotz allem noch mit der “linksextremistischen” Linken abspricht und mit ihr gegen die AfD taktiert.
So entsteht eine symbiotische Dreiecksbeziehung zwischen Linken, SPD und CDU: Die Linke ruft den Faschismus, die SPD verwaltet die moralische Erregung darüber, und für die CDU ist der behauptete „Rechtsextremismus“ der AfD, den sie deshlab auch fleissig mit behauptet, ein Geschenk, denn er erlaubt ihr, sich als „Mitte“ zu verkleiden, obwohl sie längst keine politische Mitte mehr repräsentiert, sondern nur noch die bequeme Verlängerung linker Politik in bürgerlichen Farben. Sie benötigt das Narrativ: „Linksradikale dort – Rechtsradikale hier – und wir in der Mitte, die Vernünftigen.“
Alle drei Parteien profitieren von diesem erfundenen Feind. Alle drei haben ein Interesse daran, dass die AfD nicht normal erscheint, was sie tatsächlich ist, sondern permanent als Gefahr markiert wird – und sei es um den Preis, dass das Land selbst aus dem Gleichgewicht gerät.
Denn während dieses Kartell seinen moralpolitischen Theaterdonner aufführt, versinkt die Republik im realen Niedergang. Die notwendige politische Wende, die breite Bevölkerungsschichten längst verlangen – sei es in der Energiepolitik, der Migration, der Industriepolitik oder der Inneren Sicherheit –, wird blockiert, verzögert, verhindert. Jeder echte Kurswechsel wird als „Einfall des Faschismus“ denunziert, jede rationale Reform als „Rechtsruck“, jede Korrektur als „Gefahr für die Demokratie“. So bleibt die politische Klasse unangetastet, aber das Land wird geopfert.
Die Wahrheit ist: Sie bekämpfen nicht die AfD – sie bekämpfen die notwendige politische Wende. Sie bekämpfen nicht den Extremismus – sie bekämpfen die Realität.
Hans-Werner Sinn hat recht, wenn er sagt, dass die AfD keine wirtschaftsfeindliche Partei ist, sondern im Gegenteil die einzige, die die ökonomischen Fehlentwicklungen der letzten Jahre klar benennt. Genau das macht sie so gefährlich für das Kartell – nicht ein vermeintlicher Extremismus, sondern ihre Rationalität. Ihre Fähigkeit, jene Missstände anzusprechen, die alle sehen, aber niemand im Machtapparat zugeben will. Ihre Bereitschaft, jene Reformen einzuleiten, vor denen das alte System panisch zurückschreckt.
Und damit kulminiert die Symbiose von Linken, SPD und CDU in einem einzigen, zentralen Befund: Die AfD wird nicht deshalb bekämpft, weil sie extrem wäre, sondern weil sie nicht extrem ist. Weil sie pragmatisch ist, korrigierend, ordnungspolitisch vernünftig – und damit die Machtarchitektur des Ausweichens, der Betäubung und der moralpolitischen Selbstverklärung gefährden würde.
Doch kein politisches Regime, das seinen Fortbestand von der Erfindung eines Feindes abhängig macht, kann überleben. Kein Gemeinwesen, das die Wahrheit durch Ausrufung eines imaginären Ausnahmezustands ersetzt, kann sich auf Dauer halten. Kein Land, das seine wirklichen Krisen ignoriert, um eine künstliche Bedrohung wachzuhalten, bleibt intakt.
Die Realität lässt sich nicht unterdrücken. Sie bricht immer durch – unbestechlich, unwiderruflich, ohne Rücksicht auf die Rituale der Macht. Die aktuelle Politik lebt nicht von Ideen, nicht von Kompetenz, sondern von Phantomen. Doch wenn ein System die Lüge zur Regierungsform erhebt und die Wahrheit zur Gefahr erklärt, wird nicht die Wahrheit scheitern – sondern das System.
Und so steht Deutschland an einer Wegmarke, die weit über Parteipolitik hinausreicht. Die Entscheidung ist nicht zwischen Rechts und Links, nicht zwischen AfD und Altparteien –
sondern zwischen einem erfundenen Feind und einer realen Zukunft. Zwischen dem Niedergang, den das Kartell verwaltet, und dem Aufbruch, den es mit aller Macht zu verhindern sucht. Denn am Ende ist die Wahrheit nicht radikal. Sie ist unausweichlich. Und sie wird kommen.