1933 als politisches Gespenst - Bullshit ! Wie der Missbrauch der Geschichte die Demokratie zerstört

Frank-Christian Hansel

Kaum gewinnt die AfD als konservative und freiheitliche Partei massiv an Zustimmung, ertönt reflexartig der Alarmruf: „Wehret den Anfängen!“ – als stünde die Wiederkehr des 30. Januar 1933 unmittelbar bevor.
Diese Rhetorik ist längst zum toxischen Herrschaftsinstrument geworden. Sie soll nicht aufklären, sondern einschüchtern. Sie ersetzt politische Analyse durch moralische Panik und will jede ernsthafte Opposition diskreditieren.

Doch die ständige Beschwörung von 1933 ist kein Zeichen historischer Wachsamkeit, sie ist ein sichtbar scheiterndes politisches Machtmittel. Sie verwandelt Erinnerung in Hysterie, Geschichte in Waffe, und aufgebauschte Angst in ein Werkzeug der Disziplinierung.


Die falsche Mitte

Was sich heute „demokratische Mitte“ nennt, ist keine Mitte mehr, sondern der Rest einer entkernten Linken.
Sie hat ihre sozialistische Sprache abgelegt, aber ihre moralische Anmaßung behalten.
Sie regiert mit den Gesten der Vernunft, doch ihr Denken ist ideologisch – getrieben vom Glauben an ihre eigene Unfehlbarkeit.

Diese sogenannte „Mitte“ grenzt nicht ab, um zu differenzieren, sondern um zu vernichten.
Sie ersetzt politische Debatte durch Gesinnungskontrolle und verwechselt Toleranz mit Unterwerfung. Wer heute auf Freiheit, Eigentum oder nationale Verantwortung, also letztlich auf politischen Realismus verweist, steht außerhalb ihres Meinungskorridors.

So wurde aus der die Mitte dominierenden Linken ein establishment-konformes Machtmilieu –
und aus der vermeintlichen „Mitte“ ein moralischer Schutzwall gegen jede bürgerliche Selbstbehauptung.

Weimar ist nicht heute

Die Weimarer Republik zerbrach nicht an zu viel Opposition, sondern an zu wenig Vertrauen in sich selbst. Sie ging unter, weil ihre Eliten den Menschen misstrauten und weil sie ihre Institutionen nicht verteidigten, sondern selbst delegitimierten.

Heute wird Geschichte umgeschrieben, um Macht zu sichern.
Der Vergleich mit Weimars Untergang soll die Bürger in permamenter Spannung und Angst halten:
Er soll suggerieren, die Republik stehe wieder am Abgrund – diesmal, weil eine Partei existiert, die im Parlament sitzt, ihre Gegner erfolgreich in Reden bekämpft und an die Kraft demokratischer Wahlen glaubt. Diese Erzählung ist politisch durchsichtig und historisch grotesk.

Jens Bisky als Korrektiv

Der Historiker Jens Bisky hat in seinem Buch „Weimar. Der verunsicherte Staat“ gezeigt, wie falsch diese Analogien sind. Weimar war kein lineares Vorspiel Hitlers, sondern eine Epoche der Überforderung: modern, zerrissen, widersprüchlich.

Bisky warnt vor der moralischen Versuchung, Geschichte rückwärts zu erzählen.
Wer glaubt, jede rechte Partei führe zwangsläufig in die Diktatur, verwechselt politische Differenz mit historischem Determinismus.

Demokratien scheitern nicht an Opposition – sie scheitern, wenn sie Opposition nicht mehr aushalten.

Der neue Alarmismus

Wie in Weimar - und hier besteht durchaus eine Parallele! - überzieht heute eine moralische Überhitzung den öffentlichen Diskurs. Man verteidigt die Demokratie, indem man sie gegen ihre Bürger abschottet. Die „wehrhafte Demokratie“ ist zum Deckmantel geworden, um Denkverbote zu errichten und Opposition zu stigmatisieren. Und dabei wird übersehen:

Wenn die AfD tatsächlich wäre, was man ihr unterstellt – ein zweites 1933 –,
dann würden heute 250.000 uniformierte Schlägertrupps durch die Straßen ziehen,
nicht mit Argumenten, sondern mit Fäusten.
Das Gegenteil ist der Fall:
Die Gewalt kommt von links.
Von einer ideologisch aufgeladenen, staatlich alimentierten Zivilgesellschaft, die sich zu Hunderttausenden mobilisieren lässt – gegen eine Chimäre, die real nicht existiert.
Die „Gefahr von rechts“ ist in weiten Teilen ein rhetorisches Konstrukt, während der organisierte Druck von links längst reale Macht ausübt – in Medien, Behörden, Kultur und Bildung.

Die paradoxe Selbstabschaffung der Demokratie

Im Namen der Demokratie wird heute ihre Substanz ausgehöhlt.
Parteiverbote, Beobachtungen, Denunziationen – das alles sind Symptome eines Staates, der den Bürger nicht mehr als Souverän, sondern als Sicherheitsrisiko betrachtet.
Doch wer Demokratie nur noch als Besitzstand der „Anständigen“ begreift, zerstört sie.

Weimar fiel, weil es an Vertrauen mangelte. Heute droht dasselbe – nur spiegelverkehrt:
Man will die Demokratie retten, indem man sie vor dem Volk schützt, statt sie durch das Volk zu stärken.

Genug! Es reicht!

Ich sage es deutlich: Ich habe die Schnauze voll von diesem völlig abwegigen Gerede,
das den politischen Gegner mit 1933 in Verbindung bringt.
Diese Vergleiche sind nicht klug, sie sind nicht moralisch – sie sind lächerlich.
Sie beleidigen den historischen Ernst, sie entwerten das Gedenken an die Opfer,
und sie verraten, dass ihre Urheber keine Argumente mehr haben.

Wer 2025 mit 1933 vergleicht, beweist nicht historische Wachsamkeit, sondern historische Ahnungslosigkeit. Er zeigt, dass er die Geschichte nicht versteht, sondern nur instrumentalisiert.

Diese Analogien sind nicht nur falsch – sie sind absurd, geschichtsvergessen und dumm.
Sie sagen nichts über die vermeintlich „Gefährlichen“ aus, aber alles über jene, die sie benutzen:
über ihre intellektuelle Leere, ihre moralische Selbstüberhebung und ihre Angst, Macht zu verlieren. Das ist alles!

Denn wer heute 1933 beschwört, um das Jahr 2025 zu beherrschen, der kämpft nicht gegen Faschismus, sondern gegen die Freiheit. Und das ist der eigentliche Skandal unserer Zeit.