Das Elend der heutigen SPD – Klassenkampf im Zeitalter der Eigentumsökonomik
Die SPD steht heute nicht nur bei rund 15 Prozent in den Umfragen, sie steht auch geistig am Rand ihrer eigenen Geschichte. Ihre Krise ist nicht bloß eine Frage des Personals oder der Kommunikation, sondern Ausdruck eines viel tiefer liegenden theoretischen Stillstands.
Während die ökonomische Wissenschaft längst eine Paradigmenrevolution vollzogen hat – den Übergang vom Denken in Klassen zur Analyse von Eigentum und Kredit – wiederholt die SPD ihre alten Formeln. Jüngst wurde das in aller Deutlichkeit im neuen Juso-Papier zur Erbschaftssteuer sichtbar, in dem es wörtlich heißt:
„Dieser Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit droht den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu zerstören. Die Antwort ist konsequenter Klassenkampf.“
Wenn selbst die Jusos wieder die Sprache des industriellen 19. Jahrhunderts sprechen und der Seeheimer Kreis mit seinen Forderungen nach höheren Erbschaftssteuern brav sekundiert, zeigt sich das ganze Elend der SPD: Sie hat nicht nur ihre gesellschaftliche Mitte verloren, sondern auch den Anschluss an das ökonomische Denken der Gegenwart.
Die moderne Eigentumsökonomik – von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger begründet – hat längst gezeigt, dass nicht Arbeit, sondern Eigentumstitel die Grundlage jeder produktiven Wirtschaft sind. Eigentum ermöglicht Kredit, Kredit schafft Investition, und Investition eröffnet Zukunft.
Damit hat sich – im Sinne Thomas S. Kuhns – eine wissenschaftliche Revolution vollzogen: Das alte Paradigma der Arbeitswert- und Klassenökonomie wird nicht ergänzt, sondern durch das neue Paradigma des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses ersetzt. Wie in jeder echten Paradigmenverschiebung verliert das alte Denksystem seine Erklärungskraft, während das neue die sozialen und ökonomischen Realitäten präziser beschreibt.
Das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ist das Signum dieser neuen Epoche – weil in ihm jeder zugleich beides sein kann: Schuldner in der Rolle des Unternehmers, der Risiken eingeht, und Gläubiger in der Rolle des Sparers oder Eigentümers, der Vertrauen in zukünftige Rückzahlung setzt. Es beschreibt eine gesellschaftliche Synthesis statt eines Antagonismus, eine Ordnung der gegenseitigen Verflechtung, nicht der Feindschaft.
Das ist der eigentliche, tiefere Grund für das Elend der SPD. Sie ist personell ausgezehrt, programmatisch entleert – und theoretisch überholt. Denn sie konnte den marxistischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht überwinden, obwohl er im Lichte der Eigentumsökonomik längst wissenschaftstheoretisch obsolet geworden ist.
Damit steht die SPD nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sie kämpft noch mit den Begriffen einer untergegangenen Industriegesellschaft, während die Eigentumsökonomik längst das Denken der postindustriellen Moderne prägt.
Ich habe diese Entwicklung bereits 2009 in meinem Beitrag zur Festschrift für Prof. Dr. Otto Steiger, „Eigentumsökonomik und Politik – Neun Thesen“, vorweggenommen, indem ich auf die Notwendigkeit einer neuen politischen Kraft hingewiesen habe, die diesem neuen gesellschaftlichen Paradigma gerecht wird. In These 2 schrieb ich:
„Die moderne Gesellschaft ist nicht länger durch den Gegensatz von Kapital und Arbeit bestimmt, sondern durch das Verhältnis von Gläubigern und Schuldnern, die in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit ein neues politisches Subjekt bilden.“
Diese neue Perspektive erlaubt erst zu begreifen, dass Vermögen immer zwei Seiten hat: das positive Asset auf der einen, und die Kreditverpflichtung auf der anderen. Ein Immobilienmilliardär mag auf dem Papier Milliarden besitzen – zugleich ist er verschuldet, wie die Fälle Jürgen Schneider oder René Benko zeigen. Das bürgerliche Verhältnis ist also nicht antagonistisch, sondern symbiotisch: Eigentum und Schuld bilden die zwei Pole einer einzigen produktiven Beziehung – des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses.
Die SPD aber bleibt blind für diese neue Realität. Sie spricht von Klassen, wo längst Bilanzen regieren; sie predigt Umverteilung, wo es um Kreditwürdigkeit geht; sie moralisiert Eigentum, wo Vertrauen und Risiko die eigentlichen Triebkräfte sind.
So verteidigt sie – in einem historischen Paradox – die intellektuelle Vergangenheit der Industriegesellschaft, während die Eigentumsökonomik längst das Grundgesetz der Eigentumsgesellschaft alias Kapitalismus schreibt: nicht mehr das falsche Konzept Arbeit gegen Kapital, sondern das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ist das neue Paradigma gesellschaftlicher Ordnung, nicht mehr Klassenkampf, sondern Kreditvertrauen als Basis von Investition, technonolgischen Fortschritt und der “eigentümlichen” Dynamik in der Entfesselung der Produktivkräfte, die weder Feudalismus noch Sozialismus kennen.
In dieser neuen Grammatik ökonomischer evidenztheoretisch basierter Wirklichkeit ist die SPD alt und stumm geblieben – und gerade darin zeigt sich ihr wahres Elend: Sie (ver)kämpft (sich) noch mit den Begriffen von gestern, während die Lage in Theorie und Praxis längst eine ganz andere ist.
(Vgl. Frank-Christian Hansel: „Eigentumsökonomik und Politik – Neun Thesen“, in: Detlev Ehrig / Uwe Staroske [Hg.]: Eigentum und Recht und Freiheit – Otto Steiger zum Gedenken, Metropolis Verlag, Marburg 2010.)