In der Debatte um Gaza und Israel Anfang Juni 2025 im Deutschen Bundestag hat die AfD mit drei markanten Reden zu Israel und dem Nahostkonflikt ein kohärentes, mehrdimensionales Narrativ vorgelegt, das sich von bloßer Symbolpolitik wie auch von opportunistischen Schuldzuweisungen abhebt. Die Reden von Alexander Gauland, Beatrix von Storch und Torben Braga können, auch wenn sie durchaus unterschiedliche Positionen markieren, als ein strategisches Dreieck aus historischer Verantwortung, ethischer Klarheit und souveränistischem Realismus gelesen werden.
Alexander Gauland: Die Stimme der politischen Reife
Alexander Gauland setzt den Ton mit einer Rede, die historische Tiefenschärfe mit einer klaren Gegenwartsdiagnose verbindet. Er erinnert an Helmut Schmidts Entscheidung im Deutschen Herbst 1977, nicht mit Terroristen zu verhandeln, und überträgt diese Haltung auf Israels Lage nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023. Gauland appelliert an die staatspolitische Vernunft: Die Verteidigung gegen Terrorismus ist keine Option, sondern eine Pflicht.
Dabei zeigt er auf, wie linke und islamistische Israel-Feindlichkeit in einer beunruhigenden Synthese zusammentreten. Der Vorwurf an die Fraktion Die Linke ist klar: Sie instrumentalisiert humanitäres Leid für einen ideologisch getriebenen, strukturell antisemitischen Kurs. Gauland konfrontiert das Parlament mit einer unbequemen Wahrheit: Wer Israel für seine Selbstverteidigung kritisiert, verkennt sowohl die historischen Ursachen als auch die politischen Realitäten.
Die Rede kulminiert in der Forderung nach Selbstbegrenzung deutscher Urteilskraft: Deutschland soll nicht der moralische Schiedsrichter über das Verhalten eines Staates sein, der sich seiner eigenen Vernichtung erwehren muss. Der Begriff der “Tragödie” dient hier nicht der Dramatisierung, sondern der Beschreibung politischer Notwendigkeit unter Bedingungen moralischer Unauflösbarkeit. Dazu:
Beatrix von Storch: Die Stimme der ethischen Klarheit
Beatrix von Storch legt den Fokus auf die Struktur des asymmetrischen Krieges, in dem sich Israel befindet. Ihre Rede ist nicht anklagend, sondern analysierend. Sie beschreibt die strategische Logik der Hamas, sich hinter der eigenen Bevölkerung zu verschanzen, um Israels Verteidigung moralisch zu delegitimieren. Das zentrale Motiv ist die Tragik, die sich aus Israels militärischer Notwendigkeit und der humanitären Katastrophe ergibt.
Sie argumentiert aus einem christlich geprägten, aber realistischen Ethos: Schuld ist in solchen Situationen nicht vermeidbar, aber sie kann gewichtet werden. Ihre Rede ist ein Appell an die ethische Urteilskraft jenseits politischer Moralismen. Dabei erinnert sie an die Rückzugsstrategie Israels aus Gaza 2005 und das westliche Narrativ vom “Land gegen Frieden”, das in einen gescheiterten Friedensprozess mündete, weil es das Wesen des islamistischen Terrors verkannt hat, der mit der Hamas Israel als Heimstätte jüdischen Lebens weiterhin in toto vernichten will.
Von Storch plädiert für Mitgefühl mit allen Opfern, aber auch für die Notwendigkeit, das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht durch wohlfeile Rhetorik auszuhöhlen. Ihre Rede schließt an Gauland an und vertieft die moralische Komplexität des Konflikts.
Torben Braga: Israelkritik im Sinne nationaler Selbstachtung
Torben Braga bringt zum Antrag der Fraktion Die Linke “Gaza – Völkerrecht verteidigen, Waffenlieferungen stoppen, humanitäre Hilfe ermöglichen”.eine israelkritische, souveränistische Perspektive ein. Seine zentrale These lautet: Die deutsche Außenpolitik ist zur Marionette fremder Interessen geworden – sei es durch Waffenlieferungen, diplomatische Unterwürfigkeit oder ideologisch getriebene Parteinahme. Braga unterscheidet klar zwischen einer prinzipiellen Solidarität mit Israel und der Notwendigkeit, deutsche Staatsinteressen zu wahren.
Er kritisiert, dass die Bundesregierung bereit ist, Waffen in ein umstrittenes Kriegsgebiet zu liefern, ohne eine prüfbare völkerrechtliche Grundlage vorzulegen. Damit stellt er nicht Israel infrage, sondern die Glaubwürdigkeit und Integrität deutscher Außenpolitik. Sein “Deutschland zuerst” ist kein Isolationismus, sondern ein Ruf nach normativer Selbstbehauptung in einer globalen Ordnung, die zunehmend moralisch aufgeladen und strategisch entleert ist. Seine Rede ist in der Kritik an der israelischen Gaza-Operation sehr scharf und deutlich, erliegt aber nicht dem völlig abwegigen Genozid-Narrativ, das aus dem Spektrum der extremen Linken und teilweise auch aus der Rechtsaußen-Ecke immer wieder instrumentalisiert und benutzt wird.
Klarstellung zum Genozid-Vorwurf
Ein Aspekt, der in der Debatte zu selten berücksichtigt wird, betrifft die ethische Tiefenstruktur der israelisch-jüdischen Tradition selbst. Wie ich es im Interview mit dem Freilich-Magazin betont habe: Israel agiert auch im Rahmen militärischer Selbstverteidigung unter dem Eindruck einer zutiefst in der jüdischen Lebensethik verwurzelten Besonnenheit. Die Reaktion auf den Terrorangriff vom 7. Oktober war und ist nicht von rachsüchtiger Vergeltung geprägt, sondern von einem ethischen Ernst, der aus der Erfahrung der Shoah ebenso wie aus der Verpflichtung gegenüber dem eigenen jüdisch-moralischen Maßstab resultiert. Gerade diese innere Begrenzung unterscheidet Israel fundamental von Terrororganisationen wie der Hamas. Dazu: https://www.freilich-magazin.com/politik/afd-politiker-hansel-zum-gaza-krieg-neutralitaet-kann-es-nicht-geben
An all diejenigen, die im Kontext der Selbstverteidigung Israels infolge der Hamas-Terrorattacke vom 7. Oktober von einem “Genozid” oder völkerrechtswidrigen Verhalten Israels sprechen, sei Folgendes gesagt:
Ein genozidales Auslöschungsprogramm hatten die Nationalsozialisten. Und sie haben es im Krieg auch terroristisch brutal umgesetzt, indem sie bei Guerillaangriffen gegen deutsche Besatzer oft Vergeltungsmaßnahmen verübt haben, deren Relationen man sich einmal vor Augen führen sollte: Pro getötetem deutschen Soldaten wurden in manchen Fällen bis zu 100 willkürlich ausgewählte Zivilisten standrechtlich erschossen. Würde man dieses Verhältnis auf den Hamas-Terrorangriff gegen die jüdische Zivilbevölkerung im Sinne einer Racheoperation anwenden, ergäbe das die vorsätzlich herbeigeführte Tötung von mindestens 120.000 palästinensischen Zivilisten. Wer also Israel in diesem Kontext “Genozid” vorwirft, betreibt nicht Aufklärung, sondern politisch interessierte Relativierung der wahren geschichtlichen Abgründe oder schlicht als Israelkritik verkleideten Antisemitismus. Bei allem durchaus unerträglichem Leid der Zivilbevölkerung, das sich in diesem Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen tatsächlich durch das israelische Militär ereignet, sprechen Gauland und von Storch völlig zu Recht von dem tragischen Sich- unvermeidlich-schuldig-machen-müssen.
Eine Matrix statt Parolen
Die AfD hat in dieser Debatte nicht mit Parolen, sondern mit einer Matrix aus historischer Tiefe, moralischer Differenzierung und strategischer Selbstachtung argumentiert. Diese drei Stimmen lassen sich in ihrer Unterschiedlichkeit insgesamt als glaubwürdige Positionierung einer AfD-Außenpolitik verstehen, die weder in Schuldstolz noch in moralischer Erpressung verharrt und nicht leichtfertig das deutsch-israelische Verhältnis aus den Angeln hebt, wie zunächst überraschende Aussagen des neuen CDU-Außenministers befürchten lassen oder wie die Linke das möchte. Der Bundestag hat an diesen Junitagen erlebt, wie eine Opposition, die oft als rein innenpolitisch wahrgenommen wird, außenpolitische Prinzipien aufruft, die in Berlin und Brüssel weitgehend aufgegeben wurden: Strategische Urteilskraft, moralisch-integre Nüchternheit und nationale Selbstachtung. Dafür bin ich dankbar.





