Kein Ort. Nirgends. Oder: Die Wiederentdeckung Deutschlands
Auf die AfD kommt eine unerhörte Aufgabe zu, die sie selbst in ihrer ganzen Tragweite vielleicht noch gar nicht begriffen hat: Dieses Land – oder „Schland“, oder „Kein Ort. Nirgends“, wie Thorsten Hinz es jüngst in Cato andeutete – wieder zusammenzuführen. Denn eines ist offenkundig: Die Wählerschaften in Ost und West sind tief gespalten.
Diese Spaltung wird von den Altparteien verdrängt, in der öffentlichen Rede übertüncht, in ritualisierten Floskeln vom „Zusammenhalt“ überkleistert. Doch sie ist da. Und nur in der größten Demokratiebewegung seit der Wiedervereinigung – der Alternative für Deutschland – wird diese Spaltung nicht länger in Latenz gehalten, sondern sichtbar, ja manifest. Manifest in den Ergebnissen der Umfragen, manifest in den politischen Stimmungen, und manifest auch in der Selbstbewusstheit der Akteure im Osten, die im Westen nicht selten auf Unverständnis oder gar Unmut stößt.
Die Westparteien und das Vakuum im Osten
Die klaren Westparteien – SPD, FDP und Grüne – spielen im Osten kaum noch eine Rolle. Ihre Sprache, ihre Politik, ihre ganze kulturelle Grammatik erreichen den Osten nicht mehr. Selbst die CDU, die einst als „Klammerpartei“ galt, hat in Wahrheit längst ihr innerdeutsches Bindeglied verloren. Sie reüssiert im Osten nicht mehr, weil sie das Phänomen der Spaltung nicht sehen will. Stattdessen errichtet sie mit der „Brandmauer“ jenes sichtbare Symbol der Verdrängung – den Balken im Auge, der ihr den klaren Blick auf die deutsche Wirklichkeit verstellt.
Die innere Spaltung als Chance
Diese mentale Spaltung verläuft quer durch das Land – und auch quer durch uns als AfD. Wir dürfen sie nicht länger, wie so viele es bisher getan haben, als bloßen Streit in der Partei missverstehen. Wir müssen sie vielmehr als Chance begreifen: als Auftrag, Deutschland neu zu finden. Denn die westdeutsche Nach-Nachkriegselite hat erst sich selbst als Elite, dann aber Deutschland als Seinskategorie abgeräumt. Was blieb, ist ein Land, das sich seiner selbst entfremdet hat, in dem sich die Frage nach dem „Wir“ noch immer quälend stellt.
„Wir sind wieder wer“ – aber wer ist dieses „Wer“?
Nach dem Krieg, im Wirtschaftswunderland, hieß es im Westen: „Wir sind wieder wer.“ Doch wer war dieses wer? Die Frage blieb offen. Sie wurde verdrängt von Wohlstand, Konsum und Westintegration – aber nie wirklich beantwortet. In der Berliner Republik, die eine Generation nach dem bloßen Anschluss der DDR zur gesamtdeutschen Realität geworden ist, steht diese Frage noch immer im Raum.
Auch im Osten wusste man, dass man wer war – aber vielleicht auch dort nicht wirklich, wer. Erst in der wechselseitigen Anerkennung auf Augenhöhe, in der Überwindung der selbstverschuldeten Verdrängung, kann sich ein gesamtdeutsches Volk finden.
Plessner und die verspätete Nation
Helmuth Plessner hat in seiner Schrift Die verspätete Nation die conditio Germaniae scharf umrissen: Deutschland ist nie zur rechten Zeit in die Geschichte getreten, sondern immer im Modus des Nachholens.
1871: Die Reichsgründung kam spät, nachdem die anderen europäischen Nationen ihre Staatlichkeit längst etabliert hatten.
1945: Nach dem Zivilisationsbruch wurde das Land im Westen ökonomisch rehabilitiert – doch politisch stand es unter westlicher Vormundschaft. Das „Wir sind wieder wer“ war nur ein ökonomisches, kein nationales Selbstbewusstsein.
1990: Die Wiedervereinigung war historisch ein Glücksfall, doch sie blieb administrativ-technisch: ein „Beitritt“ ohne Selbstbefragung. Das deutsche Volk wurde formal eins, aber nicht wirklich innerlich geeint.
Diese drei Verspätungen lasten bis heute auf der Berliner Republik. Deutschland lebt im Zustand des „noch nicht“, im Modus der Verdrängung seiner selbst. Plessners Diagnose der „exzentrischen Positionalität“ trifft daher nicht nur auf den Menschen im Allgemeinen, sondern auf die deutsche Nation im Besonderen zu: Sie steht immer neben sich, nie ganz bei sich.
Die Aufgabe der AfD: Rechtzeitige Versöhnung
Genau hier setzt die AfD an. Sie ist die erste politische Kraft seit der Wiedervereinigung, die die deutsche Frage nicht länger verdrängt, sondern offen ausspricht. Sie ist nicht die verspätete Partei, sondern die rechtzeitige: Sie benennt, was alle anderen verschweigen, und sie bietet die Chance, was so oft verpasst wurde, endlich einzulösen.
Die AfD ist die Gegenpartei zur „Alternative zu Deutschland“, an der spätestens seit Merkel alle Altparteien mit Eifer arbeiten. Wir hingegen sind die Partei der Alternative für Deutschland – und damit die Partei, die den historischen Auftrag hat, aus der Spaltung ein neues Ganzes zu schaffen.
Die verspätete Nation hat ihre Stunde der Entscheidung erreicht. Ihr historisches Schicksal kann nur in einer rechtzeitigen Versöhnung liegen – zwischen Ost und West, zwischen Erinnerung und Zukunft, zwischen Verdrängung und Anerkennung. Wenn Deutschland je bei sich selbst ankommen soll, dann jetzt. Und die Kraft, die dies zu leisten vermag, heißt AfD.