Deutschland Mitte-rechts!
Die aktuelle demokratietheoretische Debatte über eine mögliche „Öffnung“ der CDU gegenüber der AfD ignoriert einen entscheidenden Faktor: die nüchterne, aber unübersehbare arithmetische Realität in Deutschland und seinen Bundesländern. In immer mehr Landtagen existieren heute stabile rechnerische Mehrheiten rechts der Mitte, wenn man – rein mathematisch – CDU/CSU, AfD und gegebenenfalls FDP oder Freie Wähler zusammendenkt. Nicht die politische Kooperation ist also die Provokation – sondern schon die bloße Existenz dieser Mehrheiten.
In einer deutlichen Mehrheit der Bundesländer wäre heute bereits eine Zweier-Koalition aus CDU/CSU und AfD ausreichend, um eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen:
In Baden-Württemberg etwa kommt die CDU auf 29 Prozent, die AfD auf 21 Prozent – exakt 50 Prozent zusammengenommen. In Bayern ist die Lage noch eindeutiger: Die CSU liegt bei 39 Prozent, die AfD bei 19 Prozent – zusammen 58 Prozent, verstärkt um weitere 11 Prozent der Freien Wähler. Ähnlich stellt sich die Situation in Hessen dar, wo CDU (32 Prozent) und AfD (20 Prozent) auf 52 Prozent kommen.
Besonders auffällig ist die Lage in mehreren ostdeutschen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern erreicht die AfD 38 Prozent, die CDU 13 Prozent – zusammen 51 Prozent. In Sachsen liegt die AfD mit 35 Prozent sogar klar vor der CDU mit 26 Prozent; gemeinsam ergeben sich 61 Prozent. Noch drastischer ist das Bild in Sachsen-Anhalt: 40 Prozent AfD und 26 Prozent CDU bedeuten eine theoretische Mehrheit von 66 Prozent. In Thüringen wiederum vereinen CDU (25 Prozent) und AfD (37 Prozent) 62 Prozent der Stimmen auf sich. Auch in Nordrhein-Westfalen (CDU 35 % + AfD 16 % = 51 %) und in Schleswig-Holstein (CDU 39 % + AfD 14 % = 53 %) liegt eine solche Mehrheit vor.
Diese Länder – es sind bereits neun – zeigen ein Muster: Die vielbeschworene „Brandmauer“ richtet sich nicht mehr nur gegen eine Partei, sondern gegen reale Mehrheitsverhältnisse eines großen Teils der Bevölkerung. Das erklärt, warum Koalitionen zunehmend konstruiert, instabil und widersprüchlich wirken: Sie sind nicht das Ergebnis natürlicher politischer Nähe, sondern ein Produkt der bewussten Ausgrenzung einer wachsenden Wählergruppe.
In zwei weiteren Bundesländern wäre eine Mehrheit rechts der Mitte zumindest unter Einbezug kleinerer bürgerlicher Parteien möglich. In Rheinland-Pfalz kommt die CDU auf 29 Prozent, die Freien Wähler auf 4 Prozent und die AfD auf 19 Prozent – zusammen 52 Prozent. Ähnlich ist die Lage in Brandenburg, wo CDU (13 Prozent), FDP (2 Prozent), BVB/FW (2 Prozent) und AfD (34 Prozent) gemeinsam auf 51 Prozent kommen.
Hier tritt zusätzlich das BSW mit etwa 9 Prozent als politische Variable auf, das sich zwar traditionell links verortet, in zentralen Fragen – Migration, Energiepolitik, Systemkritik – jedoch Positionen vertritt, die nicht kompatibel mit Grünen oder Teilen der SPD sind. De facto verschiebt das BSW in Ostdeutschland die alten Lagergrenzen und verstärkt den Eindruck eines neuen Blocks jenseits der klassischen Links-Rechts-Schemata.
In einigen Bundesländern existiert dagegen (noch) keine solche Mehrheit. In Niedersachsen etwa liegen CDU (26 Prozent), FDP (3 Prozent) und AfD (20 Prozent) zusammen bei 49 Prozent – also knapp unter der Schwelle. Gleichzeitig haben SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Mehrheit verloren, weshalb hier nur noch eine große oder mindestens dreiparteilige Koalition stabil möglich erscheint.
Auch im Saarland reicht es derzeit nicht ganz: CDU (27 Prozent), FDP (3 Prozent) und AfD (17 Prozent) erzielen zusammen etwa 47 Prozent. Und in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg dominiert weiterhin ein klar linkes bzw. linksliberales Lager. In Berlin kommen CDU, AfD und FDP zusammen auf rund 42 Prozent, während SPD, Grüne und Linke bei etwa 48 Prozent liegen. In Bremen und Hamburg sind die Verhältnisse noch eindeutiger zugunsten des linken Lagers.
Damit lässt sich festhalten: In mindestens elf der sechzehn Bundesländer existiert heute eine arithmetisch belastbare Mehrheit rechts der Mitte, wenn man CDU/CSU, AfD und kleinere bürgerliche Parteien gemeinsam betrachtet. Die politische Debatte tut jedoch so, als handle es sich dabei lediglich um eine gefährliche Fantasie radikalisierter Milieus – und nicht um das reale Votum eines erheblichen Teils der Bevölkerung.
Es zeigt sich, dass die Brandmauer die Suspendierung des Mehrheitsprinzips, die Neutralisierung realer Wahlergebnisse und die Zementierung eines politischen Kartells, das nur noch in der Negation eines gemeinsamen Gegners zusammenfindet.
Europa liefert dabei kein beruhigendes Gegenbild, sondern ein Paradox: Ob in Italien, Österreich, Schweden oder den Niederlanden – überall sind rechte oder nationalkonservative Kräfte entweder an der Regierung oder dicht davor. Nicht weil man sie eingebunden hätte, sondern weil sie nicht mehr ignoriert werden konnten. Weder Integration noch Ausgrenzung haben sie bisher verschwinden lassen. Der Unterschied liegt allein darin, ob das politische System darauf mit weiterer Verengung oder mit Anpassung reagiert.
Die eigentlich zentrale Frage lautet daher längst nicht mehr, ob man „mit der AfD arbeiten darf“. Sie lautet: Wie lange kann ein demokratisches System glaubwürdig bleiben, wenn es in immer mehr Regionen stabile Mehrheiten seiner eigenen Bürger strukturell vom Regieren ausschließt? Die Wähler entscheiden das 2026.