AfD und SPD – das Unaussprechliche plötzlich denkbar?

Frank-Christian Hansel

Dietmar Woidke, Brandenburgs Ministerpräsident, hat ein Fenster geöffnet, das nicht nur für seine eigene Partei lebensrettend sein könnte, sondern auch für die CDU ein Albtraum werden dürfte. Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, muss man zurückgehen: Als Sigmar Gabriel, der damalige SPD-Parteivorsitzende, im sächsischen Heidenau 2015 Pegida-Demonstranten als 'Pack' bezeichnete, fiel eine historische Entscheidung. Statt die Sorgen „der kleinen Leute“, die einst die SPD wählten, ernst zu nehmen, wurden sie stigmatisiert. Hätte Gabriel damals gesagt: 'Wir haben verstanden, wir haben hier Fehler gemacht, lasst uns die Probleme der eigenen Leute als SPD wieder gemeinsam angehen', wäre die heutige Lage eine völlig andere. Die SPD kratzte nicht im Osten an der 5%-Marke und hätte auch bundesweit mehr Gewicht.

 Woidkes Signal ist also mehr als nur ein politischer Schachzug: Es ist eine fast schon zu späte Erkenntnis, dass die SPD sich zwischen Untergang oder Realismus entscheiden muss. Eine SPD, die sich wieder an Helmut Schmidts realpolitischen Kompass orientiert, könnte sich aus dem Klammergriff von grünem Klimarettungsaktivismus und linksideologischen Enteignungsfantasien lösen. Gerade im hauptstädtischen Berlin, wo die SPD zu lange in rot-rot-grünen oder rot-grün-roten Konstellationen verhaftet war, sind vor allem die nachwachsenden – links-grün sozialisierten - Teile der Partei zu eng mit linksradikalen und identitätspolitischen Vorfeldstrukturen verknüpft, was eine Öffnung zur Realpolitik dort nahezu unmöglich macht. Doch genau hier liegt die Wahl: Bleibt die SPD in diesem linken woken Milieu gefangen, oder kehrt sie zu den kleinen Leuten zurück, die sie einst stark gemacht haben?

 Ein besonders symbolträchtiger Aspekt dabei ist die Energiepolitik. Die SPD war einst die Partei, die die zivile Nutzung der Kernenergie vorantrieb, weil sie glaubte, damit die Arbeiter in eine moderne Zukunft zu führen. Der Atomausstieg, angetrieben durch die unheilige Allianz mit den Grünen, war ein fataler Fehler. Eine SPD, die sich wieder auf günstige und sichere Energieversorgung inklusive Kernkraft besinnt, müsste erkennen, dass die AfD hier historisch auf der richtigen Seite steht. Woidkes Vorstoß steht daher ganz am Anfang einer denkbaren Debatte, die zwar in der heutigen SPD, insbesondere in ihrer falsch programmierten Parteijugend, kaum realistisch erscheint, doch allein das Gedankenspiel öffnet ein Möglichkeitsfeld, das für die CDU tödlich wirken könnte.

 Die Konditionierung von Woidke, dass sich die AfD von – letztlich medial herbeigeframten - Extremisten trennen solle, geht hier genauso ins Leere wie das gleiche Gerede der CDU. Denn diese Forderung ist Teil der üblichen Machtkartell-Propaganda, die die AfD als vermeintlich rechtsextrem stigmatisiert, um sie als politischen Konkurrenten abzuschießen. In Wahrheit bleibt es an der CDU oder eben der SPD, den Schritt auf sie beziehungsweise die von ihr vertretenen politischen Lösungsansätze zuzugehen. Die AfD muss sich da nicht verbiegen oder verändern, sondern kann das aussitzen. Egal ob CDU oder SPD am Ende mit ihr zusammenarbeiten – sie ist programmatisch auf der Höhe der Zeit.

Wenn man die gescheiterten Versuche des politisch-medialen Machtkartells, die AfD als politischen Konkurrenten loszuwerden, sei es durch die Hoffnung, sie unter 5 Prozent zu drücken oder in einem Deckel bei 10 Prozent festzuhalten, richtig einordnet, bleibt übrig: Die AfD ist de facto nichts anderes als die Partei des politischen Realismus aus der rechten Mitte der Gesellschaft. Die klaren warnenden Positionen, die Helmut Schmidt als Altkanzler in seinen späten Interviews mit Sandra Maischberger äußerte, sind genau jene, die heute von der AfD vertreten werden: Eurorettung ja, aber nicht um jeden Preis; Migration ja, aber nicht zu viel und kulturfremd. Damit wird deutlich:

Die AfD ist die konsequente Vertreterin dieser realpolitischen Ansätze und hat die Rolle der SPD als Partei der Arbeiter und überhaupt der Steuern und Beiträge zahlenden Leistungsträger, “die den Laden am Laufen halten”, übernommen – und das macht sie zur aktuell führenden politischen Kraft in Deutschland.