Hitzeschutz zwischen klimaapokalyptischem Alarmismus und politischem Realismus
Die Debatte um den sogenannten „Hitzeschutz“ wird in Berlin seit Jahren mit einer starken Dramatisierung geführt. Begriffe wie „Hitzeglocke“, „Gefährdung“ oder „neue Realität“ sollen den Eindruck vermitteln, als stünde die Stadt kurz vor einem dauerhaft lebensbedrohlichen Ausnahmezustand. Diese Tonlage hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun.
Hitze ist – ebenso wie Kälte – ein Naturphänomen. Berlin verfügt seit Jahrzehnten über funktionierende Gesundheits- und Katastrophenschutzstrukturen. Die tatsächlichen Probleme liegen nicht im Klima, sondern in der Verwaltung: zu viel Bürokratie, zu viele symbolische Programme, zu wenig praktische Technik.
Gerade der aktuelle Antrag „Hitzeschutz sofort!“ der Grünen zeigt exemplarisch, wie Politik heute zunehmend über Emotion, Alarm und moralische Appelle betrieben wird. Dabei wird behauptet, Hitzesommer seien eine völlig neue Bedrohung und Berlin sei nicht vorbereitet. Gleichzeitig wird verschwiegen, dass andere Regionen der Welt mit weit extremeren Temperaturen problemlos umgehen – nicht durch Alarmrhetorik, sondern durch Technologie und klare Prioritäten:
Ein Blick nach Qatar oder in die Vereinigten Arabischen Emirate zeigt dies deutlich: Dort sind 45 bis 50 Grad Celsius kein Ausnahmeereignis, sondern Normalität. Trotzdem funktionieren Alltag, Infrastruktur und Wirtschaft ohne Einschränkungen. Der Grund ist einfach: Klimatisierung, moderne Gebäudetechnik, Verschattung, helle Bauweise und eine urbane Gestaltung, die auf Realitäten statt Ideologien reagiert. Kühlung gilt dort als das, was bei uns die Heizung im Winter ist – ein selbstverständlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge.
. Und wenn, wird sie politisch und moralisch problematisiert. Während man in Doha oder Abu Dhabi das Thema Hitze mit Klimaanlagen und intelligenter technischer Gebäudeausrüstung löst, diskutiert Berlin über Trinkbrunnen, Refill-Stationen, Wasserschalen für Haustiere und Sonnensegel. Das mag sympathisch wirken, löst aber kein einziges strukturelles Hitzeproblem.Besonders deutlich wird die Verzerrung der Debatte beim Thema der angeblich „immer mehr werdenden Hitzetoten“. Diese Formulierung suggeriert eine direkte, kausale Todesursache. Tatsächlich aber zeigt jede medizinische Analyse, dass es sich fast ausschließlich um alte Menschen und Personen mit schweren Vorerkrankungen handelt – Herz-Kreislauf-Beschwerden, Demenz, Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit. Hitze ist hier ein begleitender Faktor, nicht die Ursache. Die Menschen sterben mit schweren Vorerkrankungen „mit Hitze“, aber nicht „an Hitze“ sterben. Wer das verschweigt, führt die Öffentlichkeit in die Irre, um politischen Druck aufzubauen.
Wenn wir das Problem ernst nehmen, müssen wir dort ansetzen, wo reale Vulnerabilität existiert: bei Pflegeeinrichtungen, Kliniken, Krankenhäusern und Kitas. Diese brauchen moderne Kühltechnik, funktionierende Belüftung, ausreichende personelle Versorgung und klare Abläufe an heißen Tagen. Alles andere ist symbolischer Aktionismus.
Der Maßnahmenkatalog der Grünen zeigt exemplarisch, wie sehr der politische Fokus verrutscht ist. Trinkbrunnen, Wassernäpfe, Refill-Kampagnen – das sind nette Ergänzungen, aber keine Hitzeschutzstrategie. Die Duldung der Nutzung von Zierbrunnen ist populistisch und ignoriert Haftungs- und Hygienevorgaben. Der kostenlose Eintritt für bestimmte Gruppen in Schwimmbäder erzeugt zusätzliche Abrechnungsbürokratie, aber keine nachhaltige Abkühlung. Polizei und Feuerwehr zum Gießen von Parkanlagen abzustellen, ist ein Zeichen politischer Ideenlosigkeit. Und die immer gleichen Öffentlichkeitskampagnen – „mehr trinken“, „Schatten aufsuchen“ – ersetzen keine Infrastruktur.
Vor allem aber fällt eines auf: Die entscheidende Maßnahme fehlt völlig: Klimatisierung, moderne Kühltechnik, bauliche Anpassungen, die wirklich wirken. Das ist kein Zufall. Klimaanlagen passen nicht in das links-grüne Narrativ von Verzicht, Verhaltenslenkung und Moralpädagogik. Sie sind zu funktional, zu effektiv, zu real. Sie konkurrieren mit der gewünschten Inszenierung einer angeblich außer Kontrolle geratenen Klimakrise, in der der Staat durch Erziehung und Lenkung eingreifen muss. Deshalb werden sie nicht erwähnt.
Ein realistischer Ansatz sähe anders aus. Er würde anerkennen, dass Hitze ein wiederkehrendes Wetterphänomen ist, das man – wie in unzähligen Ländern der Welt – technisch bewältigt. Er würde Vulnerable schützen, statt Symbolprojekte zu streuen. Und er würde Berlin nicht in eine moralisch aufgeladene Dauererregung versetzen, sondern Infrastruktur stärken, Verwaltung entlasten und schlicht Alltagstauglichkeit herstellen.
Die Diskussion über Hitzeschutz ist ein Musterbeispiel dafür, wie weit sich Politik inzwischen von der Wirklichkeit entfernt hat. Wo Pragmatismus gefragt wäre, wird Alarmismus betrieben. Wo Technik helfen würde, wird Moral gepredigt. Wenn Berlin ernsthaft über Hitzeschutz sprechen will, dann nicht durch Sonnensegel, Wasserschalen und App-Hinweise – sondern durch funktionierende Klimatisierung, robuste Infrastruktur und ein Ende des klimapolitischen Theaterdonners. Nur so wird die Stadt wirklich widerstandsfähig – und bleibt zugleich frei von politischer Übergriffigkeit.