Flugplatz Neuhardenberg als Ergänzung zum BER
Der Fall des Mallorca-Fliegers, der wegen des Nachtflugverbots nicht in Berlin, sondern in Hannover landen musste, illustriert die enge betriebliche Zwangsjacke des BER. Strikte Lärmschutzauflagen, verankert in den Betriebsbeschränkungen der Genehmigungsbehörden, führen dazu, dass selbst geringfügige Verspätungen in der Hauptstadtregion nicht aufgefangen werden können. Damit entsteht eine strukturelle Verwundbarkeit des Luftverkehrsknotens Berlin, die nicht nur für Airlines und Passagiere, sondern auch für die Luftverkehrssicherheit von Bedeutung ist.
Genau hier kommt der Flugplatz Neuhardenberg ins Spiel. Mit seiner 2.400 Meter langen Piste erfüllt er die physische Grundvoraussetzung für den Betrieb von Mittel- und Langstreckenflugzeugen. Was bislang fehlt, ist die regulatorische Aufwertung durch die Einführung eines Instrumentenlandesystems (ILS) und die Einbindung in das europäische Air Traffic Management. Nach den Regeln der Civil Aviation Regulation – in Deutschland durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) und die Deutsche Flugsicherung (DFS) umgesetzt – sind dafür mehrere Schritte notwendig:
Genehmigung des ILS-Betriebs durch das LBA, inklusive sicherheitstechnischer Abnahmen, Hindernisfreiheit (Obstacle Limitation Surfaces) und präziser Vermessung der An- und Abflugverfahren.
Integration in die DFS-Luftraumstruktur, um sichere und konfliktfreie Einbindungen in die bestehenden An- und Abflugrouten des Berliner Raums zu gewährleisten.
Zulassung als Ausweichflughafen (Alternate Aerodrome) nach ICAO-Standard, was klare Anforderungen an Betriebszeiten, Beleuchtung, Rettungsdienste und Kraftstoffversorgung stellt.
Harmonisierung mit europäischen Vorschriften der EASA (European Union Aviation Safety Agency), die für Navigationsinfrastruktur, Sicherheitsstandards und Umweltauflagen zuständig ist.
Erst mit diesen Schritten kann Neuhardenberg als vollwertiger zivilaviatischer Standort fungieren. Der Vorteil wäre erheblich: Anders als der BER könnte Neuhardenberg ohne Nachtflugbeschränkungen operieren und so bei Verspätungen, Notfällen oder Umleitungen als verlässliche Option dienen. Damit würde Berlin ein Stück jener Redundanz zurückgewinnen, die in modernen Luftverkehrssystemen international selbstverständlich ist.
Ein Blick nach Europa zeigt die Logik: Paris verfügt neben Charles de Gaulle und Orly über Le Bourget, das als Business- und Ausweichflughafen eine wichtige Rolle spielt. London bindet mit City, Stansted, Luton und Southend gleich mehrere Ergänzungsflughäfen in sein Netzwerk ein. Selbst in kleineren Märkten wie Wien ist Wiener Neustadt als General Aviation Hub in die Struktur eingebunden. Berlin dagegen hat nach Schließung von Tempelhof und Tegel bewusst auf Redundanz verzichtet – und steht nun im internationalen Vergleich mit einer riskanten Monostruktur da.
Die regulatorische Aufwertung Neuhardenbergs wäre deshalb mehr als ein lokales Infrastrukturprojekt: Sie wäre die Korrektur eines Planungsfehlers. Das Civil Aviation Framework sieht gerade vor, dass große Metropolregionen über Ausweich- und Ergänzungsoptionen verfügen, um Resilienz und Sicherheit zu gewährleisten. Würde Neuhardenberg entsprechend zertifiziert, könnte er nicht nur als nächtlicher Ausweichflughafen dienen, sondern auch als Maintenance, Repair & Overhaul (MRO)-Standort und als Plattform für nachhaltige Luftfahrtprojekte wie den geplanten grünen FBO.
Daraus ergibt sich eine klare politische Aufgabe: Berlin und Brandenburg müssen gemeinsam mit dem Bund eine aktive Rolle übernehmen. Während Berlin als Hauptstadt ein originäres Interesse an internationaler Anbindung hat, trägt Brandenburg die planerische Verantwortung für den Standort Neuhardenberg. Beide Länder sollten das Genehmigungsverfahren nicht länger dem Zufall oder zögerlichen Behörden überlassen, sondern eine koordinierte Initiative starten: durch politische Unterstützung gegenüber dem LBA, durch Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Betreiber und durch eine klare Abstimmung mit der DFS.
Am konsequentesten wäre ein „Neuhardenberg-Beschluss“: Ein gemeinsamer Parlamentsbeschluss von Abgeordnetenhaus Berlin und Landtag Brandenburg, der die beiden Landesregierungen verpflichtet, das Genehmigungsverfahren zur ILS-Zulassung aktiv zu betreiben, den Standort als offiziellen Ausweichflughafen in die nationale Luftfahrtplanung einzubringen und auf Bundesebene die Anerkennung durch das LBA und die EASA voranzutreiben. Damit würden Berlin und Brandenburg ein deutliches Signal senden: Die Hauptstadtregion braucht Redundanz, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit – und Neuhardenberg ist der Schlüssel dazu.
Dass damit natürlich auch eine Aufwertung des Standortes an sich und seiner infrastruktuellen Entwicklung mit einherginge, ist offesichtlich und für die erweitere Hauptstadtregion bergüßenswert. Dieser wirtschaftliche Spin-off liegt im Interesse beider Länder.
Die Alternative ist ein Festhalten am Status quo: ein überlasteter BER, der durch Nachtflugverbote lahmgelegt ist, und eine Hauptstadtregion, die im internationalen Vergleich ohne funktionale Redundanz dasteht. Will Berlin als Metropole auf Augenhöhe mit Paris oder London wahrgenommen werden, muss es jetzt handeln – mit einem entschlossenen Neuhardenberg-Beschluss.