Seit Jahren wird Ostdeutschland in westdeutschen Leitmedien durch ein einseitig negatives Narrativ geprägt. Triste Plattenbauten, Demonstrationen mit Reichsflaggen, abgehängte Rentner in grauen Landschaften. Dieses medial konstruierte “Dunkeldeutschland” dient nicht nur als Projektionsfläche für gesamtdeutsche Ängste. Es fungiert zugleich als semantischer Resonanzraum für das Bild der AfD. Diese erscheint in der westdeutschen Presse nahezu deckungsgleich mit jenem Stigma, das dem Osten als Ganzes angehängt wird: demokratiefern, ressentimentgeladen, regressiv, ja zu Teilen eben auch rechtsextrem.
Diese Verknüpfung ist kein Zufall, sondern ein funktionales Narrativ. Die AfD wird systematisch zur Partei des Ostens, zur politischen Ausgeburt eines vermeintlich rückständigen Landesteils stilisiert. Ihre Wahlerfolge in Sachsen oder Thüringen gelten als Beleg für die kulturelle Abweichung des Ostens, nicht etwa als Ausdruck eines strukturellen Legitimationsdefizits der Politik an und für sich. Damit wird die AfD quasi regionalisiert: ein “ostdeutsches Problem” statt ein Symptom tatsächlich gesamtdeutscher Verwerfungen.
Diese mediale Regionalisierung hat weitreichende Folgen. Sie schafft nicht nur ein Feindbild, das in den westlichen Diskurs hervorragend passt. Sie delegitimiert auch die politischen Motive der Wählerinnen und Wähler im Osten. Wer AfD wählt, so die unausgesprochene Erklärung, leidet entweder an Demokratie- oder Bildungsschwäche. In dieser Logik liegt die eigentliche Stabilisierungskraft des Systems: Kritik wird pathologisiert, Opposition quasi ethnisiert. Der “rechte Osten” ist damit nicht mehr Teil des politischen Diskurses, sondern dessen Ausnahmezustand.
Die Konsequenz ist paradox, aber folgerichtig: Gerade weil die AfD medienwirksam als “Partei Dunkeldeutschlands” verzwergt wird, kann sie im Westen weniger fußen. Ihre strukturellen Schwächen in Teilen Bayerns, Nordrhein-Westfalens, Hessens oder Baden-Württembergs resultieren vor allem aus der Tatsache, dass sie im westlichen Mediendiskurs als fremd, als nicht dazugehörig inszeniert wird. Die westliche, ins grün-linke Lager gerückte „Mitte der Gesellschaft“, durch Jahrzehnte medialer Selbstvergewisserung stabilisiert, erkennt in der AfD keinen Teil von sich, sondern nur das Andere, das Abzulehnende.
Die AfD wird somit im Westen nicht primär wegen ihrer Inhalte schwach gehalten, sondern weil sie als Ausdruck eines östlichen Makels gilt, mit dem sich der „Shitbürger“ nicht beflecken mäöchte. Das “Machtkartell” der etablierten politischen und medialen Institutionen wirkt hier nicht durch offene Repression, sondern durch semantische Exklusion. Die Folge: Die AfD bleibt im Westen deutlich schwächer, derzeit um die 17% unter den Zustimmungswerten als im Osten, weil sie als ostdeutscher Sonderfall medial isoliert wurde.
Dieses Zusammenspiel aus medialer Abwertung des Ostens und politischer Marginalisierung der AfD im Westen ist kein Zufall, sondern ein stabilisierender Mechanismus der gegenwärtigen Herrschaft. Es zielt darauf ab, die westdeutsche Gesellschaft gegen legitime tiefgreifende Systemkritik zu immunisieren, indem es sie regional externalisiert. Der Osten und die AfD werden so zur politischen Kulisse, auf der sich die moralische Selbstbestätigung des Westens abspielen kann. Der Zeitpunkt naht, an dem die mediale Konstruktion dieser Kulisse in sich zusammenbricht. Die besagte ARD-Dokumentation war und ist hier, wenn auch wohl eher unbeabsichtigt, ein Anfang.





