Warum die Berliner Enquete-Kommission den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet, den sie zu fördern vorgibt

Mit großem moralischen Anspruch hat das Berliner Abgeordnetenhaus eine neue Enquete-Kommission eingesetzt:
„Für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung.“
Ein starkes Signal, könnte man meinen – wäre da nicht ein grundlegender Widerspruch im Verfahren selbst. Denn ausgerechnet die einzige echte Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus, die AfD, wurde de facto vollständig von der Mitwirkung ausgeschlossen – nicht nur durch die bewusste Nichtwahl ihrer Mandatsträger in die Kommission, sondern auch durch die Verweigerung der von ihr benannten externen Experten. Ein besonders augenfälliger Fall: Der Autor und Publizist Feroz Khan – ein Ex-Muslim mit Migrationshintergrund, profiliert und gesellschaftlich engagiert. Seine Positionen mögen unbequem sein – aber genau das ist der Sinn eines pluralen Diskurses. Dennoch wurden weder er noch Fabian Schmidt-Ahmad nicht gewählt. Nicht wegen ihrer Inhalte, sondern schlicht weil sie von der AfD nominiert wurden.

Damit wird klar: Nicht die Eignung, nicht der Beitrag zum Thema, nicht die persönliche Integrität zählen – sondern der Absender. Wer von der falschen Fraktion vorgeschlagen wird, gilt als kontaminiert. Der Ausschluss ist keine Konsequenz, sondern ein Prinzip. Das ist ein schwerwiegender Vorgang – nicht nur institutionell, sondern demokratietheoretisch. Eine Kommission, die sich dem Kampf gegen Diskriminierung verschreibt, diskriminiert selbst – systematisch, moralisch begründet, parteipolitisch motiviert. Sie spricht von „gesellschaftlichem Zusammenhalt“, schließt aber hunderttausende Berliner Wähler vom parlamentarischen Diskurs aus. Sie will Polarisierung überwinden, spaltet aber selbst durch ideologische Ausgrenzung.

Man muss sich die Absurdität vor Augen führen: Während Vertreter von Parteien, in deren Reihen antisemitisch auffällige oder israelfeindliche Stimmen geduldet werden, problemlos in der Kommission sitzen, reicht bei der AfD allein die Herkunft des Vorschlags für die politische Disqualifikation. Die selektive Empörung funktioniert reibungslos – nach politischer Richtung, nicht nach Maßstäben der Sachlichkeit.

Der Ausschluss wirkt auf zwei Ebenen: Er beschädigt den demokratischen Anspruch des Parlaments und er untergräbt die inhaltliche Glaubwürdigkeit der Kommission. Denn was ist eine plural zusammengesetzte Expertengruppe wert, wenn relevante gesellschaftliche Perspektiven systematisch ausgeschlossen werden? Wo bleibt die Debatte, wenn man den Diskurs auf ideologisch definierte Meinungsräume verengt?

Noch schwerer wiegt der politische Schaden. Wenn Bürger erleben, dass „ihre“ Stimme parlamentarisch nicht gehört wird – obwohl sie demokratisch gewählt wurde –, entsteht Entfremdung. Nicht durch Radikale, sondern durch ein von Parteien vermachtetes System, das Andersdenkende routiniert delegitimiert. Das Vertrauen in die demokratische Institution wird nicht von außen erschüttert, sondern von innen ausgehöhlt.

Natürlich kann und muss man sich kritisch mit der AfD auseinandersetzen. Aber genau das geschieht hier eben nicht. Es geht nicht um Debatte, nicht um die Konfrontation von Argumenten. Es geht um die pauschale Exklusion. Das Mantra „Mit denen reden wir nicht“ ersetzt die demokratische Auseinandersetzung durch eine moralische Abriegelung. Die sogenannte „Brandmauer“ wird zur politischen Blockade – nicht gegen Extremismus, sondern gegen repräsentative Teilhabe. So entsteht eine paradoxe Situation: Eine Kommission zur Stärkung der Demokratie wird zum Exempel ihrer Aushöhlung. Wer mitmachen darf, entscheidet nicht der Souverän, sondern das politische Koordinatensystem der regierenden Fraktionen.

Der Ausschluss von Feroz Khan und Fabian Schmidt-Ahmad ist in seiner Symbolkraft kaum zu überbieten. Ein engagierter Islamkritiker wird von der Mitarbeit an einer Kommission gegen Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus ausgeschlossen – nicht wegen inhaltlicher Einwände, sondern weil die AfD ihn vorgeschlagen hat. Was heißt hier eigentlich noch „gesellschaftlicher Zusammenhalt“? Denn was seit mittlerweile vier Jahren im Berliner Abgeordnetenhaus mit der Nichtwahl der AfD-Mandatsträger in die  parlamentarischen Gremien praktiziert wird, ist nicht der Schutz der Demokratie – es ist die Zementierung eines engen Meinungs- und Entscheidungskartells. Und wer das kritisiert, läuft Gefahr, selbst zum Verdachtsfall erklärt zu werden.

Dabei wäre echte Vielfalt möglich. Man müsste sie nur wollen. Echte demokratische Repräsentation verlangt, auch jene Positionen auszuhalten, die man ablehnt – solange sie sich im Rahmen des Rechts bewegen. Alles andere ist letztlich Demokratie-Simulation. Die Berliner Enquete-Kommission verfehlt somit ihr Ziel bereits im Moment ihrer Konstituierung. Sie will Inklusion, praktiziert aber Ausschluss. Sie ruft zur Vielfalt – und setzt auf ideologische Homogenität und Einseitigkeit. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt ernst meint und alle Formen von unbotmäßiger gesellschaftlicher Diskriminierung untersuchen und Handlungsempfehlungen dagegen erarbeiten will, muss zuerst echten politischen Pluralismus leben. Nicht trotz, sondern wegen der Demokratie.

 

Facebooktwitterredditpinterestlinkedinmail

Kommentar verfassen

Zur Werkzeugleiste springen