Energiewende zwischen Realität und Ideologie – ein kritischer Lagebericht zur Strom- und Gasversorgung

Die deutsche Energiepolitik steht exemplarisch für das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit. Während die politische und mediale Klasse unverdrossen den klimapolitischen Heilsweg beschwört, zeigen die realwirtschaftlichen und netztechnischen Bedingungen ein deutlich komplexeres, oft widersprüchliches Bild – ein Bild, das immer mehr aufzeigt, wie fragil das Gebilde „Energiewende“ inzwischen geworden ist.

Aktuell – Mitte April 2025 – bleibt der befürchtete „Oster-Blackout“ zwar aus. Die Netzsituation wirkt auf den ersten Blick stabil, die Frequenz im Griff, und die Stromüberschüsse, die durch schwankende Einspeisung von Solarenergie entstehen, liegen insgesamt in einem technisch beherrschbaren Rahmen. In der Spitze mussten zeitweise etwa 16 GW ins Ausland abgeleitet werden – ein Wert, der noch unterhalb der technisch möglichen Grenzkuppelkapazität von rund 23 GW liegt. Dass dieser Strom allerdings zu Dumpingpreisen – teils bei -4 Cent/kWh – „verschenkt“ werden muss, ist wirtschaftlich ein Offenbarungseid, selbst wenn es technisch momentan funktioniert.

Gleichzeitig zeigen sich aber immer deutlichere Mikrorisse im System: Heute etwa ist ein typischer Tag, an dem es vermehrt zu größeren örtlichen Ausfallereignissen kommt – deutlich sichtbar etwa bei Dresden und südöstlich von Berlin bei Wildau. Laut „stoerungsauskunft.de“ handelt es sich dabei nicht um baustellenbedingte Ausfälle – dafür ist Ostermontag schlicht kein realistischer Zeitpunkt. Auch die Gesamtlast ist niedrig – es spricht also viel für lokale Einspeise-/Lastabnahme-Ungleichgewichte, also eine Form von Netz-Unwucht, die sich nicht mehr sauber abfangen ließ.

In Berlin selbst fällt seit Karfreitag vielerorts eine ungewöhnlich hohe Netzspannung auf der Niederspannungsebene auf – auch in privaten Messreihen, etwa in Lankwitz. Und zwar nicht nur in Form der mittlerweile bekannten Spannungsspitzen („Spikes“), sondern als durchgängig erhöhtes Spannungsniveau. Eine mögliche Ursache: Einspeiseeffekte durch nicht steuerbare Kleinst-PV-Anlagen, etwa sogenannte „Balkonkraftwerke“. Diese speisen gezielt mit leicht erhöhter Spannung ein, um Vorrang im Netz zu erhalten – ein technischer Trick, der im Einzelfall legitim sein mag, aber systemisch zu einem Risiko werden kann, insbesondere wenn die Netzarchitektur auf solch flächige Einspeisung nicht ausgelegt ist. Dass dieses Phänomen nun auch in der Mieterstadt Berlin sichtbar wird, überrascht – laut Marktstammdatenregister ist die installierte PV-Leistung hier bislang eher gering.

Noch ist das Netz technisch beherrschbar, doch es häufen sich die Symptome: örtliche Spannungserhöhungen, Tagesgangmuster mit Überfrequenzen, lokale Stromausfälle und eine Netzinfrastruktur, die auf diesen Betrieb im Dauerstresszustand nicht vorbereitet ist. Besonders bedenklich ist, dass langfristig erhöhte Netzspannung auch Auswirkungen auf private Elektrogeräte haben kann – ein Problem, das bisher kaum öffentlich thematisiert wird, aber bei steigender Fallzahl durchaus haftungsrechtlich relevant werden könnte. Die systemische Stromqualität – also die „Güte“ der gelieferten Energie – wird damit zu einem handfesten Alltagsrisiko.

Im Bereich der Gasversorgung zeigt sich ebenfalls ein ambivalentes Bild: Die Speicher füllen sich langsam wieder, nachdem die kalten Frühlingstage für hohe Entnahmen gesorgt hatten. Positiv ist, dass die Tagessalden inzwischen wieder leicht im Plus liegen – ein Signal, dass zumindest markttechnisch Gas verfügbar ist. Allerdings erfolgt die Wiederbefüllung zögerlich, offenbar weniger aus physischem Mangel, sondern aufgrund von Preis- und Erwartungshaltungen der Marktakteure. Während etwa Frankreich deutlich schneller speichert, hoffen deutsche Versorger offenbar auf fallende Preise. Der Löwenanteil des Imports erfolgt weiterhin über Pipelines, LNG bleibt symbolisch überhöht, aber real von marginaler Bedeutung.

Was die Netzbetriebsseite betrifft, deutet sich eine gewisse Routine im Umgang mit dem „new normal“ an: Die kritische Phase Anfang April – mit Überfrequenz und Überspannung – wurde durch Standardprozeduren offenbar abgefangen. Doch die Häufung solcher Zwischenfälle zeigt: Die Stabilität beruht zunehmend auf Notfallkompetenz – nicht auf struktureller Robustheit.

Fazit:
Die scheinbare Stabilität der Energieversorgung ist teuer erkauft – ökonomisch, strukturell und zunehmend auch technisch. Die Bundesregierung verkauft ihre Energiepolitik als Erfolg, während Netzbetreiber, Industrie und private Haushalte die Risiken einer überdehnten Transformation tragen. Es braucht keine weiteren Symbolmaßnahmen, sondern eine realitätsbasierte Energiepolitik: technologieoffen, versorgungssicher und marktwirtschaftlich geerdet. Die jüngsten lokalen Ausfälle, die anhaltenden Spannungsschwankungen und der Preisverfall ins Negative zeigen: Dieses System operiert längst am Rand seiner Belastbarkeit – und es wird Zeit, das auch politisch ehrlich zu benennen: Die Energiewende funktioniert so nicht.

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