Am 28. April 2025 kam es auf der iberischen Halbinsel zu einem massiven Stromausfall, der große Teile Spaniens und Portugals lahmlegte. Binnen Sekunden fiel die Spannung im gesamten Hochspannungsnetz ab, wichtige Industrien, Infrastrukturen und Verkehrsnetze standen still. Was auf den ersten Blick wie ein regionaler Einzelfall erscheint, ist bei genauerer Betrachtung ein systemischer Warnruf für ganz Europa – insbesondere für Deutschland.
Spanien am Rand des Netzes – strukturelle Besonderheiten
Spanien nimmt im europäischen Verbundnetz (RG-CE) eine Randlage ein. Frequenzschwankungen wirken sich dort deutlich direkter aus als in zentralen Staaten wie Deutschland. Hinzu kommt: Spanien betreibt ein zentralisiertes Übertragungsnetz, während in Deutschland vier unabhängige ÜNBs für Redundanz sorgen. Zusätzlich ist Spaniens Anbindung an Nachbarländer begrenzt – einige Interkonnektoren verlaufen als HGÜ-Leitungen, die keine Frequenzrückführung erlauben. Die Wechselstromverbindung nach Perpignan (Frankreich), eine der wenigen synchronen Koppelpunkte, war in der Nacht zuvor gestört.
Es war also ein Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Faktoren, die diesen “cero energético” begünstigten. Von dilettantischer Netzführung kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die spanischen Netzbetreiber zeigten in der Wiederanlaufphase hohe Professionalität.
Der blinde Fleck der Energiewende: Momentanreserve
Trotzdem ist klar: Der steigende Anteil volatiler Erneuerbarer verschärft die Systemanfälligkeit. Mit jeder stillgelegten thermischen Anlage schrumpft die Momentanreserve – jene träge Rotationsenergie aus konventionellen Generatoren, die bei Frequenzschwankungen binnen Millisekunden stabilisierend wirkt. Photovoltaik und Windkraft leisten das nicht.
Technisch ließe sich Momentanreserve über Batteriespeicher bereitstellen. Doch das ist teuer, kurzlebig und skaliert nicht beliebig. Wer wie Deutschland den Pfad der Totaldekarbonisierung beschreitet, ohne für adäquaten Ersatz der Systemdienstleistungen zu sorgen, handelt fahrlässig. Das spanische Beispiel zeigt, wie schnell es kritisch werden kann.
Irritation aus Bonn: Müllers Selbstzufriedenheit
Besonders irritierend war in diesem Kontext die Äußerung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Noch während die spanischen Netztechniker an der Wiederherstellung arbeiteten, lobte er über soziale Medien die deutsche Netzstruktur und suggerierte, ein solcher Vorfall sei hierzulande ausgeschlossen. Diese Selbstgewissheit ist nicht nur unangebracht, sondern brandgefährlich.
Sie impliziert, Spanien hätte weniger Sicherungsebenen, während man in Deutschland bereits “besser aufgestellt” sei. Doch das Gegenteil ist der Fall: Spaniens Reaktion war professionell, die technische Komplexität enorm. Wer so redet wie Müller, zeigt ein erschreckend technikfernes Verständnis für die realen Herausforderungen im Hochspannungsnetz.
Deutschland braucht eine ehrliche Netzdebatte
Die entscheidende Lehre aus dem spanischen Blackout lautet: Ein modernes Stromsystem braucht nicht nur grüne Energie, sondern auch robuste Stabilitätsmechanismen. Der Fetisch für Erneuerbare blendet allzu oft die physikalischen Realitäten aus.
Wer die Momentanreserve konsequent abschafft, wer konventionelle Kraftwerke nur noch als Übergangsproblem betrachtet, der spielt mit der Netzsicherheit. Deutschland sollte nicht auf den nächsten eigenen Blackout warten müssen, um das zu erkennen. Es braucht endlich eine energiepolitische Ehrlichkeit, die technische Resilienz nicht gegen ideologische Ziele ausspielt.
Gerade der deutsche Sonderweg mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Kernkraft, kombiniert mit einer fast religiösen Fixierung auf Sonne und Wind, ist nicht nur teuer, sondern energiepolitisch gefährlich. Er führt zu einer strukturellen Verwundbarkeit des Stromsystems, die sich im Störfall binnen Sekunden in einen Blackout verwandeln kann. Wer diese Risiken ignoriert, riskiert nicht weniger als die operative Zuverlässigkeit des gesamten Industriestandorts Deutschland.





